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Fenster und Türen auf beim BdV!

Im Jahr 1997 hielt der damalige Bundespräsident Herzog seine berühmte „Ruckrede“, in der er der deutschen Gesellschaft Mutlosigkeit und ein Gefühl der Lähmung attestierte. Er sprach von einer Erstarrung der Gesellschaft und bescheinigte eine mentale Depression der Gesellschaft.

Ähnlich erlebe ich, was ich seit meiner Wahl zum Landesvorsitzenden des Bundes der Vertriebenen in Rheinland-Pfalz auf unterschiedlichen Ebenen innerhalb des Verbandes wahrnehme. Ausdrücklich loben möchte ich die Gedanken unseres Bundesvorsitzenden, Dr. Fabritius, der ja selbst zur jüngeren Generation im BdV zählt und „Querdenken“ und „Querdenker“ nicht scheut. Mit meinen 40 Lebensjahren bin ich – mit einigen wenigen Ausnahmen – ganz offensichtlich ein Exot im Kreis der Vorsitzenden der Landesverbände und Landsmannschaften.

Hinter den Kulissen und in internen Runden wird viel gejammert. Vor allem von denen, die bereits älter sind, die Strukturen des BdV schon seit Jahrzehnten kennen und schätzen gelernt haben. Vorgetragen werden der Mangel an jungen Engagierten, das Aussterben der älteren Aktiven, das Fehlen von Nachfolgern, um nur einige wenige Aspekte zu nennen. Von jüngeren Vertretern hört man dagegen andere bedenkenswerte Gründe für die partielle Lähmung des Verbandes. Ein angestaubtes Image – wie man neudeutsch sagt –, gepaart mit vagen Zielen des Verbands und einer Überalterung in den Führungsgremien werden zurecht angeführt. Hinzu kommen fragwürdige Positionierungen ehemaliger Köpfe des Bundes.

Ich stelle fest, dass sich der Bund der Vertriebenen in einem Spannungsfeld von Wirkung und Nebenwirkung befindet, dessen Durchbrechen der Quadratur des Kreises gleicht: Es muss uns als Vertriebenenverband gelingen unter Einbeziehung aller handelnder Akteure Antworten auf die Fragen der Zukunft zu finden. Auch die alteingesessenen Funktionäre müssen erkennen, dass neue Wege beschritten werden müssen. Ein Blick zu anderen Interessensverbänden lohnt sich: Der VdK (heute mit dem Zusatz „der Sozialverband“ geführt, als „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“ gegründet) hat in den vergangenen Dekaden einen ganz bemerkenswerten Wandel vollzogen und sich – zumindest ist das der Eindruck von außen – mit neuem Image und neuer Ausrichtung erfolgreich nahezu neu erfunden.

Was uns im BdV eint ist die Gewissheit, dass Vertreibung und Verschleppung in allen Facetten Unrecht und Verbrechen waren und sind. Unser Ziel muss es sein das unseren Landsleuten in der Vergangenheit widerfahrene Unrecht zu benennen und die Erinnerung daran lebendig zu halten. Dabei eint uns die Erkenntnis, dass totalitaristische Regime – egal ob nationalsozialistisch, kommunistisch, sozialistisch, politisch rechts oder links – solche Untaten erst ermöglicht haben und insofern das Heil der Vertriebenen und ihrer Nachkommen – aus historischer Erfahrung und Verantwortung – in der freiheitlich demokratischen Grundordnung und in einem Europa des Friedens und der Freiheit liegt. Insofern geht es um mehr als nur die Bewahrung von Kulturgut und Traditionen sowie die Pflege des Brauchtums früherer Generationen.

Mir ist noch niemand in der jungen Generation im Bund der Vertriebenen begegnet, der die Zukunft unserer Arbeit im Erheben territorialer Ansprüche auf die ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete sieht. Die Frage stellt sich ja – wenn überhaupt – ohnehin nur für bestimmte Landsmannschaften, deren ursprüngliche Siedlungsgebiete zunächst Teil des Deutschen Reiches waren. Entsprechende Forderungen nach Wiederherstellung alter Staatsgrenzen und Geschichtsrevisionismus ist nicht nur inhaltlich realitätsfremd und sorgt mit für das teils komplizierte Image unseres Verbands, sondern bringt uns auch in der Sache nicht weiter.

In den letzten Jahrzehnten sind neue Aufgaben auf den Bund der Vertriebenen zugekommen:

Die sogenannten Spätaussiedler – zuvorderst aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, aus Schlesien und Rumänien – sind Teil der BdV-Familie. Die „Soziale Frage“ dieser Bevölkerungsgruppe nach Rentengerechtigkeit und Berücksichtigung von Berufszeiten aus den Herkunftsländern sowie die gesellschaftliche Integration dieser mehrere Millionen Menschen zählenden Bevölkerungsgruppe sind unsere gemeinsame Aufgabe.

Ein vereintes Europa mit offenen Grenzen ermöglicht dem Bund der Vertriebenen eine vertiefte Zusammenarbeit mit den deutschen Minderheiten im Ausland, vor allem in Ost- und Südosteuropa. Der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Fabritius wirkt hier vorbildlich. Als Verband ist es unsere Aufgabe die deutschen Minderheiten in der Pflege ihrer Sprache und Kultur zu unterstützen. Der Auf- und Ausbau von deutschsprachigen Schulen in den entsprechenden Gebieten muss eine unserer wichtigsten Forderungen sein. In der Implementierung eines Zusammengehörigkeitsgefühls als Volksgruppe liegt der Schlüssel für den Fortbestand deutscher und deutschsprachiger Kultur in den Gebieten, aus denen Deutsche in den letzten Dekaden fliehen mussten, vertrieben wurden oder ausgesiedelt sind.

In Gesprächen wird man immer wieder gefragt, ob die Arbeit des Bundes der Vertriebenen noch zeitgemäß ist und ob es sich nicht um einen aussterbenden Verband handelt. Unsere Existenz ist wichtiger denn je – unsere Aufgaben sind klar. Unsere Verantwortung für die Gesellschaft auch.

Aber: Wir brauchen noch mehr „frischen Wind“ – Fenster und Türen auf beim BdV!

Tobias Meyer

Der Verfasser wurde 1979 geboren und ist seit April 2018 Vorsitzender des Landesverbands des Bundes der Vertriebenen in Rheinland-Pfalz


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